Regierungspräsident Axel Bartelt sprach davon, dass der 8. Mai angesichts der millionenfachen Opfer des Zweiten Weltkrieges weltweit ein besonderer Gedenktag sei, nicht nur in Deutschland. Ein Gedenktag, der alle berühren und nachdenklich machen sollte, der dazu führen sollte, dass man einen Moment innehalte, dass alle enger zusammenrücken und der gemeinsamen Verantwortung bewusst werden und alles daran setzten, dass sich so eine Tragödie und so ein Grauen nie wiederholen dürfen, mahnte Bartelt. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion vor fast genau 80 Jahren, am 22. Juni 1941, erreichte der Krieg laut Bartelt eine neue, bisher nie dagewesene Dimension. Dort, im Osten, wurde der Krieg im Sinne der NS-Ideologie als ein „Vernichtungs- und Weltanschauungskrieg“ brutal und unbarmherzig bis zum bitteren Ende geführt. Grausamer und menschenverachtender Tiefpunkt des Zweiten Weltkrieges sei jedoch der Holocaust gewesen, die planmäßige und systematisch von den Nationalsozialisten durchgeführte Ermordung der europäischen Juden. Hitlers wahnhafter rassistischer und antisemitischer Ideologie fielen an die sechs Millionen europäischer Juden zum Opfer, darunter auch viele Regensburger Juden. So stellt Bartelt die Frage, „was haben wir weltweit – insbesondere aber was haben wir Deutschen – nun aber aus diesem bisher folgenreichsten und schwersten Krieg der Menschheitsgeschichte gelernt?“ Sicher, dass sich so ein grausamer Krieg nirgends und niemals wiederholen dürfe. „Nie wieder Krieg!“, an diese Parole erinnere sich jeder angesichts der millionenfachen Opfer und der grausamen Bilder, die sich bei allen in den Köpfen eingebrannt haben. Nach 1945, umso mehr nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki, sollten die Menschen mehr denn je bestrebt sein weltweit und gemeinsam mit aller Kraft für Frieden einzutreten. Wenigstens das sollte man aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt haben, dass Krieg und Konfrontation nie eine Lösung sein können. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge stehe laut Bartelt deshalb mit ganzer Überzeugung für den Frieden sowie für die Völkerverständigung ein, denn gebe es eindringlichere Mahner für den Frieden als die Gräber derer, die im Krieg ihr Leben verloren haben?
Anschließend kamen die beiden Zeitzeugen zu Wort. Ernst Grube, im Dezember 1932 in München geboren und schon lange in Regensburg lebend, stammt aus einer jüdisch-gemischten Familie. Gegen Kriegsende wurde er gemeinsam mit seiner Mutter und seinen zwei Geschwistern in das KZ Theresienstadt verschleppt. Das Lager Theresienstadt war für Grube und seine Familie ein „Ort des Schreckens“. Tagtäglich sei man dort mit der Frage konfrontiert gewesen, wie gehe es weiter. Es blieb als Hoffnung nur die bange Frage, wann kämen die Russen, um das Lager zu befreien. Umso größer sei die Begeisterung am 8. Mai 1945 gewesen, als es endlich zur Öffnung des Lagers kam, und Soldaten der Roten Armee im Anmarsch waren. „Wir waren frei“, erinnert sich Grube, endlich frei nach einer langen Zeit der Diskriminierung, Ausgrenzung und der Ängste. Grube erinnerte in seinem Beitrag auch an die Shoa und den Vernichtungskrieg der Wehrmacht. Erst viele Jahre später habe er dann das gesamte Ausmaß der NS-Verbrechen erfahren. Deshalb sei es für ihn eine Notwendigkeit, an diesem Tag, dem 8. Mai, an die Verbrechen der Nazis zu erinnern. Zugleich wolle er auch auf den seiner Meinung nach zu wenig beachteten Anteil der Roten Armee an der Befreiung hinweisen. Vor allem aber gehe es Grube darum, das Vergessen zu verhindern. So sei heute wenig bekannt über die zahllosen Opfer in der Sowjetunion. Auch Grube gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es nie wieder zu einem solchen Kriege komme.
„Kriege kennen kein Vergessen“, mit diesen Worten leitete der zweite Zeitzeuge, Domprälat i. R. Josef Grabmeier, seinen Beitrag ein. Grabmeier, Jahrgang 1927, wurde 1943, damals als 16-jähriger, als Flakhelfer zur Wehrmacht eingezogen. Die Erinnerung sei hilfreich und notwendig, denn vergangene Kriege seien Wächter und Mahner vor ausufender Feindseligkeit, vor Hass und Vergeltung, vor unsichtbaren Anzeichen kriegerischer Auseinandersetzungen. Der Geist des Friedens, der Brüderlichkeit, der gerade in der Kirche immer wieder verkündet und angemahnt werde, sei ständig bedroht durch Anmaßung und Überheblichkeit und Herrschsucht im Kleinen und im Großen, überall in der Welt, so Grabmeier. Deshalb seien alle täglich gefordert, dem Frieden den Weg zu bereiten. Diese wichtige Einsicht sei ihm im Krieg geschenkt worden, betont Grabmeier. Er erinnert sich, wie er als blutjunger Flakhelfer, „oben auf der Anhöhe von Kneiting“, auf die Kampfflugzeuge der Alliierten schießen musste, in denen sich Menschen befanden, „Menschen wie wir, wie Du und ich“. Ihm sei damals alles durch Mark und Bein gegangen: „Schuld?“ Später wurde er als Soldat an der Westfront eingesetzt, wo er und seine Kameraden gegenüber den US-amerikanischen Panzerverbänden „total verloren waren“. Er geriet in alliierte Kriegsgefangenschaft und befand sich monatelang in einem Lager, „auf blanken Boden, ohne Dach über dem Kopf ohne alles“. Dort, in Bad Kreuznach, erreichte Grabmeier am 8. Mai 1945 die Kunde vom Frieden, er jedoch stellte sich angesichts seiner Lage die Fragen: „Welcher Friede? Und wie lange wohl?“ Diese Erlebnisse ließen ihn nicht mehr los, und alle müssten die Voraussetzungen für den Frieden schaffen, und von den Kriegstreibern in aller Welt solle man sich darin nicht beirren lassen, so die eindringliche Botschaft Grabmeiers.
Die Aufnahmen entstanden u. a. an der Kriegsgräberstätte Oberer Katholischer Friedhof II, auf der 1113 Opfer des Zweiten Weltkrieges, darunter Soldaten, zivile Opfer, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, ruhen. Text: Dr. Dario Vidojković